Fruehling in Deutschland
Erst die Fremde lehrt uns, was wir an der Heimat haben.
Theodor Fontane (1819 – 1898)
Ich hoere mindestens 10 Voegel im Garten zwitschern- Musik kann nicht schoener klingen und erfuellender sein. Es ist 5.oo Uhr frueh in Ravensburg. Den deutschen Fruehling kenne ich eigentlich anders und erwartete ihn auch waermer und angenehmer… ! Und doch ist es wunderbar durch unsere Mischwaelder, die in den verschiedensten Gruentoenen schimmern und ein Erwachen symbolisieren zu gehen, den Flieder zu riechen und das alles wieder mit offenen Sinnen wahrzunehmen und darueber Staunen zu koennen. Mir scheint es, als staende ich noch neben mir, ich bin zwar wieder da aber eigentlich bin ich noch gar nicht ganz da, noch nicht vollstaendig angekommen. Es ist als ob ploetzlich Deutschland und das Hiersein nicht der Realitaet entsprechen wuerden. Hoert sich verrueckt an, ich weiss, aber keine Angst ich bin nicht verrueckter, als ich es vorher schon war (das reicht schliesslich ;-)), es ist vielmehr ein Zeichen wie real ich in Afrika war und Afrika fuer mich war, weil ich mich als Teil davon fuehlte.
Aehnlich wie ein langsames Erwachen von einem wunderschoenen Traum (zum Glueck dauert meine Aufwachphase immer etwas laenger als bei anderen Menschen) aus dem ich aber vielleicht noch gar nicht ganz aufwachen moechte.
So eine Reise gibt so viel, lehrt einen Verschiedenstes und hinterlaesst deutliche Spuren. Diese Spuren hatte ich in Tansania, dem fuer mich im Nachhinein einpraegsamsten und erkenntnisreichsten Land, erwaehnt. Genau da hatte ich aufgehoert zu vergleichen und anfangen koennen, Afrika und Afrikaner zu verstehen, kennenzulernen und mich als Teil davon zu fuehlen!
Wenn ich jetzt zurueck denke, sehe ich das Lachen der Menschen, seien es Kinder oder Erwachsene. Dieses tiefe ehrliche, authentische und so reine Lachen, dass mir immer wieder das Gefuehl gegeben hat, willkommen zu sein. Dieses Lachen das einem in Mark und Bein uebergeht. Dieses Lachen, das einen zum Mitlachen anregt. Dieses nicht hoeflich anerzogene sondern so offen und geraderaus kommende Lachen, dass man nicht vergessen kann und niemals vergessen will.
Jeder Reisetag brachte eineVielzahl an Erlebnissen und Impressionen. Wenngleich jeder davon, durch dieselben fast schon Rituale, wie Motorrad satteln, fahren, Essen organisieren und einen Schlafplatz suchen gezeichnet waren und ich den Eindruck hatte, nichts Besonderes sei passiert, war er rueckblickend voll neuer Bilder, Landschaften und zahlreicher, wertvoller Begegnungen. Die Anzahl der bedeutenden kleinen Augenblicke und Details der Umgebung sowie faszinierende Farbenspiele zauberten doch immer wieder aufs Neue etwas ganz Besonderes. Als Reisender hat man immer Zeit für einen Austausch und Zeit für den Anderen. Warum geht dies in Afrika leichter als bei uns? Sicher liegt es mit daran, dass Zeit etwas so Relatives ist. Hatte ich nicht bereits im Artikel uber Tansania das Sprichwort zitiert, „wir haben die Uhren, die Afrikaner die Zeit“ und Zeit ist einer der groessten Schaetze und Reichtuemer die man auf diesem Kontinent vorfindet. Auch die Afrikaner untereinander schenken sich nach meiner Beobachtung mehr Zeit als ich dies im Alltag zu Hause kenne und wahrnehme. Als Europaeerin, die sich oft durch die Uhr das Leben dirigieren lassen muss, fiel es mir anfangs schwerer, diese Ruhe und Gelassenheit zu akzeptieren. Dabei schmuecken den Alltag bereits kleine, wie ich sie inzwischen bezeichne, „Zeitgeschenke“ wie ein Lächeln, ein Händedruck, ein Kompliment, Augenkontakt oder eine Interessebekundung in wunderbarer Weise und koennen Achtung und Respekt vor Land und Leute hinterlassen und Beziehungen herstellen. Auch Zeit, die Natuer und all ihre Wunder zu geniessen ist meines Erachtens eine der besten Investitionen.
Heute frag ich mich, wo bleibt denn unser Respekt diesen Menschen gegenueber? Wenn wir immer wieder meinen ihnen sagen zu muessen, wie sie zu leben haben. Oder wenn wir versuchen, Ihnen unsere Weltanschauung und Kultur indoktrinieren zu wollen. Was geschieht da? Warum koennen wir Afrika nicht Afrika sein lassen, und im Gegenteil eher versuchen, etwas von der afrikanischen Unbeschwertheit und Lebensfreude, die sie verkoerpern zu lernen. Warum werfen wir bettelnden Kindern Bonbons oder Groschen vor die Fuesse und wundern uns dann, wenn diese auch noch als Erwachsene betteln, nicht arbeiten und uns Weisse dafuer verachten. Sollten wir nicht vielmehr das Fremde und Andersartige genau so respektieren und achten wie das Bekannte? Das ist es doch, was zumindest in meinen Augen die Welt im Grossen und im Kleinen so besonders macht! Wer gibt uns denn das Recht zu urteilen, was richtig und was falsch ist. Fragen ueber Fragen die mich sicher noch weiter beschaeftigen werden aber hier meine subjektive Sicht aufzeigen sollen.
Ich hoffe, dass ich durch meine Reise nicht nur riesig beschenkt wurde, sondern auch etwas weitergeben konnte. Vielleicht konnte ich bei dem Einen oder Anderen durch Gespraeche uebermitteln, dass auch in unserem von den Afrikanern oft idealisierten Deutschland oder Europa nicht alles Gold ist was glaenzt und viele Menschen trotz all dem Ueberfluss undankbar, ungluecklich oder unzufrieden sind. Werteverluste, Familienzerwuerfnisse, Glaubenssuche, Einsamkeit… alles Probleme, die in Afrika sicher nur unterschwellig auftreten, die aber von den Medien nicht nach Afrika transportiert werden und dadurch dieses Bild der Traumwelt, in die viele fluechten moechte, suggerieren. Hoffentlich konnte ich bei manchen Menschen diesen Eindruck relativieren und hoffentlich kam die von mir oftmals geäusserte Bewunderung ueber Laender und Menschen genuegend zum Ausdruck!
Fragt sich nun was gut oder besser, richtig oder falsch ist, wer weiss das schon….? Fuer mich war fast alles neu, anders, ungewiss und ich musste mich daran gewoehnen um es achten und lieben zu lernen und um fuer mich daraus lernen zu koennen. Dann ging es erst mich davon bezaubern und verzaubern zu lassen. Die beschriebenen Faktoren lösten in mir die endgültige Faszination Afrikas aber auch dieser Reise fuer mich aus!
So schoen es heute wieder ist, zu Hause zu sein und auch hier das Staunen wieder zu entdecken, zieht es mich erneut in die Weite. 😉 Ob dies nun daran liegen mag, dass ich noch nicht ganz erwachen moechte, oder aber daran, dass ein Teil von mir noch in der Ferneist. vielleicht ist es aber einfach das Fernweh … ? 🙂 Ich bin auf alle Faelle gluecklich diese wertvolle Fahrt gemacht zu haben und wuerde sie jederzeit wieder machen Es warten in jedem der bereisten Laender noch immer so viele Schaetze die ich gern entdecken moechte! Jedem der sich gedanklich mit der Idee auseinandersetzt eine Transafrika Reise zu unternehmen, kann ich nur dazu ermutigen, man kann nur gewinnen! 😉 In spaetestens zwei Jahren werde ich diesen Blog fortsetzen, womoeglich mit neuem Titel, aber wer weiss, vielleicht wird es auch „Afrika die Zweite“.
Viele liebe Gruesse, Birgit
An die Freunde
Wieder einmal ausgeflogen,
Wieder einmal heimgekehrt;
Fand ich doch die alten Freunde
Und die Herzen unversehrt.
Wird uns wieder wohl vereinen
Frischer Ost und frischer West?
Auch die losesten der Vögel
Tragen allgemach zu Nest.
Immer schwerer wird das Päckchen,
Kaum noch trägt es sich allein;
Und in immer engre Fesseln
Schlinget uns die Heimat ein.
Und an seines Hauses Schwelle
Wird ein jeder fest gebannt;
Aber Liebesfäden spinnen
Heimlich sich von Land zu Land.
Theodor Storm (1817 – 1888)